Der Nachlass, für den der Verstorbene zu seinen Lebzeiten gespart und gearbeitet hat, kann auch bei sonst stabilen Familienverhältnissen Gegenstand erbitterter Kämpfe werden. Ein Szenario, welches dem Erblasser manch schlaflose Nacht bescheren kann. Was gibt es für Möglichkeiten, solch unschönen Folgen entgegen zu wirken, um den Lebensabend ohne ungute Gefühle geniessen zu können? Gibt es ein «Schiedsgericht», das in brenzligen Situationen die Parteien wieder vereint? Wer beurteilt das Testament, wenn Unklarheiten auftauchen, oder sich eine Partei ungerecht behandelt fühlt?
Diener des Verstorbenen
Nach Art. 517 Abs. 1 ZGB hat der Erblasser zu Lebzeiten die Möglichkeit, in einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag eine oder mehrere handlungsfähige Personen mit der Vollstreckung seines Willens zu beauftragen.
Der Willensvollstrecker sitzt im Zentrum von Rechtsbeziehungen. Er ist in erster Linie dem Willen des Verstorbenen verpflichtet, aber auch lebendigen Personen, voran den Erben, Vermächtnisnehmern und auch Gläubigern verantwortlich. Der Pflichtenkatalog umfasst in Art. 518 Abs. 2 ZGB die Vertretung des Willens des Erblassers, die Verwaltung der Erbschaft, die Bezahlung der Schulden des Erblassers, die Ausrichtung der Vermächtnisse und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach den Vorschriften des Gesetzes.
Den Willensvollstrecker als Diener des Verstobenen zu bezeichnen, ist jedoch nicht ganz zutreffend. So kann der Willensvollstrecker die gegen das Testament gerichtete Ungültigkeitsklage weder verhindern, noch kann er die Teilung gegen den Willen der Erben anordnen. Ja er ist sogar verpflichtet, Pflichtteilsverletzungen den Benachteiligten mitzuteilen. Nur ein eingesetzter Willensvollstrecker garantiert übrigens in hohem Masse den Vollzug des letzten Willens, ansonsten hängt alles in der Luft!
Kompetenzen
Die möglichen Kompetenzen des Willensvollstreckers sind weitreichende. Gesetzliche Regelungen sind dabei dispositiver Natur, das heisst, dass es dem Erblasser zum grössten Teil freisteht, welche Aufgaben er dem Willensvollstrecker zuweisen möchte. Finden sich im Testament keine entsprechenden Bestimmungen, spricht man von einer Generalexekution. In diesem Falle hat der Willensvollstrecker das Recht, sämtliche Handlungen vorzunehmen, welche zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Obwohl das Willensvollstreckermandat grundsätzlich den Bestimmungen des Auftrags untersteht, ist der Willensvollstrecker von den Beschränkungen des Art. 396 Abs. 3 OR befreit. Das heisst, er darf im Rahmen seiner Auftragserfüllung Vergleiche abschliessen und Grundstücke veräussern oder belasten. Seine Kompetenz erstreckt sich, soweit testamentarisch nichts anderes geregelt wurde, auf sämtliche in- und ausländischen Vermögenswerte des Erblassers.
Obwohl es dem Erblasser freisteht, die Kompetenz zeitlich über die Erbteilung hinweg zu erweitern oder die sachliche Kompetenz zu kürzen, ist er dennoch an einen gewissen Handlungsspielraum gebunden. Der Erblasser kann ihn nicht von seinen allgemeinen Pflichten, der Behördenaufsicht, der zivilrechtlichen Haftung oder gesetzlichen Teilungsvorschriften befreien. Das Recht zur authentischen Interpretation kann ihm jedoch durch die Erben übertragen werden.
Kontrolle
Trotz umfassender Kompetenzen ist der Willensvollstrecker dazu angehalten, unter dem Prinzip der schonenden Rechtsausübung sein Recht zurückhaltend auszuüben. Er dient somit nicht als Liquidator, welcher den Nachlass schnellstmöglich versilbern und aufteilen soll, sondern hat die Erbschaft zu erhalten und bestmöglich in natura zu verteilen.
Wie der Erbschaftsliquidator untersteht dabei auch der Willensvollstrecker der Behördenaufsicht und dem Beschwerderecht der Erben. Dabei ist er aber gegenüber den Erben nicht weisungsgebunden. Jüngst entschied das Bundesgericht, dass die erfolgreiche Ungültigkeitsklage eines Erben die gesamte Tätigkeit des Willensvollstreckers tangiert. Folglich kann der Willensvollstrecker ohne Einbezug der Miterben von einer Person über diesen Weg abgesetzt werden. Sein Willensvollstreckermandat fällt damit für den gesamten Nachlass dahin und wird nicht etwa für diejenigen Erben weitergeführt, welche mit dem Willensvollstrecker zufrieden sind.
Manager
Dies alles steht aber den «Managementaufgaben» des Willensvollstreckers nicht entgegen. Der Dienst am Erblasserwillen besteht darin, dass er Vermächtnisse ausrichtet, einen Teilungsvorschlag macht, der den gültigen Anordnungen des Erblassers folgt, und dass er für eine reibungslose und schnelle Durchsetzung von Auflagen das Nötige veranlasst, mithin die ganze Erbangelegenheit also koordiniert.
Der Willensvollstrecker steht, wie wir gesehen haben, also zwischen den Parteien. Zwischen den Erbparteien und dem Erblasser einerseits und den Erben untereinander andererseits. Man könnte ihn als Kämpfer zwischen «Leben und Tod» bezeichnen, was für die betroffene Person nicht einfach ist und ein wachsames Auge, eine intelligente Handlungsweise und auch psychologisches Einfühlungsvermögen verlangt.
Qualifikation des Willensvollstreckers
Jedem Erblasser ist daher gut geraten, für das Amt des Willensvollstreckers eine kompetente und rechtskundige, standfeste Persönlichkeit einzusetzen, die von Anfang an von neutralem Boden aus operiert und immer dort verbleibt. Gute Freunde sind mit gut gemeinten Mandaten rasch überfordert oder verlieren sich im engen Beziehungsnetz der Erben.
Ein Willensvollstreckermandat muss nicht zwingend einem Rechtsanwalt übergeben, sondern kann jeder handlungsfähigen Person anvertraut werden. Im Zusammenspiel der letztwilligen Verfügung und der verschiedenen Parteien und deren Rechtsvertreter ist aber die Fachkompetenz eines spezialisierten Anwaltes durchaus empfehlenswert und hat einen weiteren Vorteil, wenn er schon den Ehe-, den Erbvertrag oder das Testament ausgefertigt hat.
Angesichts der Tatsache, dass die Tätigkeit des Willensvollstreckers etwas kostet, verzichten viele auf dessen Dienste und vertrauen auf den gesunden Menschenverstand und die Moral der Hinterbliebenen. Dass diese aber in der Realität leider allzu oft in Bezug auf die materiellen Interessen der Erben hintenanstehen, hat sich in vielen Erbfällen leider bewahrheitet. Die Kosten des Willensvollstreckers wären eine gute Investition gewesen im Vergleich zum Ärger, zu Prozesskosten, etc., welche entstehen, wenn nicht autoritär die gesetzlichen Möglichkeiten seitens des Willensvollstreckers ausgenutzt werden.
Der Fall
A., Erblasser und ehemaliger Eigentümer eines alten Gebäudes mit Werkräumen auf einem 2000 m2 grossen Grundstück in der Bauzone, hat eine Tochter und einen Sohn. Testamentarisch vererbt er den beiden das Grundstück, auf dem der Sohn das Gewerbe des Vaters übernommen hat und im angrenzenden Haus wohnt. Schnell stellt sich die Frage, wie man das Grundstück aufzuteilen gedenkt. Es gibt nur die Möglichkeit, dass der eine Erbe 1000 m2 Bauland übernimmt und der andere die restlichen 1000 m2 mit dem alten baufälligen Gebäude, weil der Sohn die Werkräume benötigt. Über die Zuteilung kommt es zu keiner Einigung. Die Erbengemeinschaft gerät in Streit, der sich über ein Jahrzehnt hinzieht. Nach dem Tod von A hätte ein Kaufinteressent das ganze Grundstück zu einem Quadratmeterpreis von CHF 1’000.- erworben, was eine Gesamtsumme von CHF 2’000’000.- ergeben hätte. Aufgrund des Erbstreites fällt der Verkauf jedoch ins Wasser.
Heute ist der Quadratmeterpreis auf CHF 350.- gesunken, das Haus unbenutzt und abbruchreif. Durch diesen Streit, den ein neutraler und kompetenter Willensvollstrecker mit Sicherheit zu beenden oder zu verhindern gewusst hätte, hat die Erbengemeinschaft CHF 1’300’000.- verloren.
Wie wenig hätte die Tochter und der Sohn davon wohl für die Hilfe des Willensvollstreckers aufwenden müssen?
Ein Willensvollstrecker ist immer ein gutes Investment, sofern er sein Amt seriös und zielstrebig wahrnimmt und dafür die nötigen Eigenschaften mitbringt. Die Einsetzung eines Willensvollstreckers kostet den Erblasser im Übrigen keinen Franken. Wie in der Privatwirtschaft ist ein gutes «Management» ein Garant für den Erfolg. Und den hat sich der vermögende Erblasser auch nach seinem Leben wahrlich verdient.