Als Whistleblower wird eine Person bezeichnet, die in öffentlichem Interesse interne Missstände einer Organisation aufdeckt. Regelmässig sind Whistleblower Arbeitnehmer, die infolge Insiderinformationen von illegalen, betriebsinternen Aktivitäten erfahren und diese Missstände anschliessend publik machen oder den Behörden melden. Die Folge davon können Reputationsschäden der betroffenen juristischen sowie natürlichen Person sein. Trotz zahlreicher Versuche, in der Schweiz einen umfassenden rechtlichen Schutz für Whistleblower zu schaffen, sind die gesetzlich dafür verankerten Regelungen nach wie vor marginal. Dies rührt unter anderem aus dem Umstand, dass der Terminus «Whistleblower» aufgrund mangelnder rechtlicher Regelungen und daraus entstehender Unsicherheiten in den meisten Ländern und so auch in der Schweiz negativ konnotiert ist. Die Europäische Union hat diesen Unsicherheiten im Jahre 2019 mit Inkrafttreten der sogenannten EU-Whistleblower-Richtlinie ein Ende gesetzt. Die Richtlinie beinhaltet unter anderem die Pflicht zur Errichtung eines Meldesystems und entfaltet über eine in der EU gehaltene Tochtergesellschaft auch Wirkung für Muttergesellschaften mit Sitz in der Schweiz. Aus rechtlicher Sicht ist das Errichten eines Whistleblowing-Systems auch für Schweizer Unternehmen empfehlenswert. Welche Vor- und Nachteile damit für das betroffene Unternehmen einhergehen, wird im Folgenden dargelegt.
Unsicherheiten aufgrund der Rechtslage in der Schweiz
Infolge der fehlenden gesetzlichen Regelung in der Schweiz betreffend Whistleblower ergeben sich zahlreiche Unsicherheit für Unternehmen sowie Arbeitnehmer. Das Bundesgericht hat deshalb in seinen Urteilen wiederholt festgehalten, dass sich Arbeitnehmer auch beim Whistleblowing an die Melde- und Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR) sowie die Geheimhaltungspflicht (Art. 321 Abs. 4 OR) zu halten haben. Demnach haben Personen, die mit Insiderwissen betreffend unlauteres Verhalten oder illegale Vorkommnisse konfrontiert werden, diese primär dem Arbeitgeber oder der zuständigen internen Stellen mitzuteilen, bevor sie sich an externe Personen wenden. Eine Verletzung dieser Pflicht kann unter Umständen sogar eine Kündigung nach sich ziehen.
Aufgrund der unklaren Rechtsfolgen wird die Motivation eines Arbeitnehmers – einen Missstand aufzudecken – jedoch keineswegs gefördert. Die Bestimmungen über die missbräuchliche Kündigung, über die arbeitgeberische Fürsorgepflicht sowie über die Meinungsäusserungsfreiheit des Arbeitnehmers stehen miteinander im Spannungsverhältnis. Sämtliche dieser Interessen resp. Pflichten stehen miteinander im Widerspruch. So hat der Arbeitgeber beispielsweise die Pflicht, die Interessen des Unternehmens in guten Treuen zu wahren und Missstände offenzulegen, was wiederum die Gefahr für eine negative Reputation erhöht. Des Weiteren besteht ein öffentliches Interesse daran, Straftaten wie Korruption oder Betrug aufzudecken, was wiederum in einem Zielkonflikt mit der Treuepflicht des Arbeitnehmers steht. Welchem Grundsatz dabei Vorrang zu gewähren ist, muss anhand des Einzelfalls entschieden werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Pflichten des Unternehmens und der Arbeitnehmer herrscht eine grundlegende Rechtsunsicherheit im Bereich des «Whistleblowings».
Empfehlung zum Errichten eines Whistleblowing-Systems
Um diese Unsicherheiten zu beseitigen, ist es für ein Unternehmen jeder Grösse angezeigt, ein Whistleblowing-Meldesystem einzurichten. Obwohl es in der Schweiz keine gesetzliche Pflicht zur Implementierung einer Meldestelle gibt, haben dennoch rund 60% der Unternehmen eine interne Meldestelle eingerichtet. Ein solches Meldesystem kann zum einen Reputationsschaden verhindern, aber auch durch frühzeitige Risikoerkennung sowie das Aufdecken von Fehlverhalten die Unternehmensqualität sichern. Nicht zuletzt führt die Errichtung eines Whistleblowing-Systems auch zu einer verbesserten Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer sowie das Unternehmen, da zwingend ein internes Whistleblowingreglement erstellt, ein klares Verfahren für Meldungen festgelegt und eine geeignete Meldestelle erfasst werden muss. Zentral ist dabei, dass die Mitarbeiter vor der Instandsetzung des internen Whistleblowing-System informiert und über die tolerierten Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Das Unternehmen sollte zudem unternehmensinterne Massnahmen zum Schutz sämtlicher Mitarbeiter treffen.
Anwaltskanzlei als Meldestelle
Wie bereits aufgeführt müssen beim Errichten eines Whistleblowing-Systems einige rechtliche Punkte beachtet werden. Insbesondere das Finden einer geeigneten Meldestelle ist für das betroffene Unternehmen von grosser Relevanz. Ein internes Meldesystem hat den Vorteil, dass dem Unternehmen dadurch die Chance gegeben wird, unternehmensinterne Missstände frühzeitig aufzuräumen. Dabei können diese Missstände Themen wie Korruption, Geldwäscherei, Diskriminierung, Menschenrechtsverletzungen oder Verstösse gegen den Umweltschutz umfassen. Häufig wird ein bestehendes Missverhältnis durch Arbeitnehmer oder aussenstehende Drittpersonen gemeldet. Ziel dieser Meldung ist es, eine Verbesserung der fehlerhaften Arbeitsabläufe zu bewirken.
Für viele Unternehmen ist das Beiziehen einer Anwaltskanzlei als Meldestelle von grossem Interesse, da dieses sowohl das Unternehmen als auch die Arbeitnehmer zum Thema Whistleblowing rechtlich beraten kann. In ihrer Aufgabe als Meldestelle nimmt die Anwaltskanzlei Meldungen entgegen, dokumentiert und prüft diese und nimmt eine entsprechende Triage vor. Die Anwaltskanzlei fungiert dabei als Vermittler zwischen dem Arbeitnehmer als Meldender und dem Unternehmen. Ein Whistleblower möchte sich oftmals nicht öffentlich melden, zumal er Angst vor den Konsequenzen hat, weswegen eine anonyme Meldung erwünscht ist. Diese anonymen Meldungen sind aber nicht ideal, da sie zum Missbrauch einladen, sich die Glaubwürdigkeit nicht überprüfen lässt sowie Nachfragen nicht möglich sind. Wird nun eine Anwaltskanzlei als unternehmensexterne Meldestelle eingesetzt, so kennt nur sie die Person des Meldenden und kann damit Meldungen vertraulich entgegennehmen. Dadurch fühlt sich der Meldende sicher und das Unternehmen kann gleichzeitig durch die Anwaltskanzlei als Meldestelle die Glaubwürdigkeit des Meldenden überprüfen und Rückfragen stellen. Des Weiteren ist ein Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsgeheimnisses von Gesetzes wegen verpflichtet, Meldungen jeglicher Form anonym zu behandeln.
Doch auch für die Arbeitnehmer ergeben sich mit dem Beizug einer Anwaltskanzlei als Meldestelle zahlreiche Vorteile. So kann eine Anwaltskanzlei beispielsweise verhindern, dass es zu unrechtmässigen Kündigungen kommt (Art. 336 OR). Denn der Arbeitnehmer geniesst einen Kündigungsschutz als Ausfluss der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin, was dazu führt, dass eine Kündigung als Reaktion auf zulässiges internes oder externes Whistleblowing als missbräuchlich zu qualifizieren ist.
Eine Chance für Unternehmen
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass ein internes Whistleblowing Unternehmen eine Chance bietet, ihre Compliance, ihre Qualität sowie ihren Ruf zu stärken. Dies soll sich vor allem in einem Verhaltenskodex oder aber auch im gelebten Vorbild der sogenannten Nulltoleranzgrenze gegenüber Regelverstössen widerspiegeln. Es ist dabei zentral, dass sich die Unternehmenskultur entsprechend ändert und eine Meldung über Missstände nicht als «Verpfeifen», sondern Vielmehr als Verbesserung sowie wertvollen Beitrag zur Stärkung des Unternehmens angesehen wird. Wichtig ist aber auch, dass ein detailliertes Whistleblowingreglement erstellt wird und der Arbeitnehmer weiss, wie er bei Vorliegen eines Missstandes vorzugehen hat. Der Angst, für die Meldung eines Missstandes bestraft zu werden, sollte durch eine entsprechende Aussetzung einer Belohnung Rechnung getragen werden. Schliesslich muss aufgrund des Gesagten bei der Errichtung eines Whisteblowing-Systems das Verfahren beachtet werden. So muss klar geregelt sein, welche Hinweise an welche Meldestelle gelangen, wie ein entsprechender Sachverhalt abgeklärt wird und wem wie über den Abschluss des Verfahrens rapportiert wird.