Mit Beschluss vom 6. September 2023 hat der Bundesrat entschieden, die Änderungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) am 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen. Diese Entscheidung erfolgte nach Konsultation der Kantone, um eine gleichzeitige Umsetzung der gesamten Revision zu ermöglichen. Dadurch haben der Bund, die Kantone, die Gerichte und die Anwaltschaft genügend Zeit für die Vorbereitung. Ziel der Revision ist es, den Zugang zu Gerichten zu erleichtern und die Rechtsdurchsetzung zu stärken. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte der Revision erläutert.
Prozesskosten
Bisher müssen Kläger oder Klägerinnen die gesamten voraussichtlichen Gerichtskosten als Kostenvorschuss zahlen, was oft eine grosse Hürde darstellt. Zukünftig wird der Vorschuss grundsätzlich auf maximal die Hälfte des voraussichtlichen Gesamtbetrags begrenzt. Dadurch wird der Zugang zu Gerichten auch für Personen erleichtert, die nicht für die unentgeltliche Rechtspflege in Frage kommen. Allerdings gibt es viele Ausnahmen, beispielsweise in der internationalen Handelsgerichtsbarkeit oder im Rechtsmittelverfahren. Die Kantone behalten zudem ihre Hoheit über die Gerichtskostentarife, was weiterhin zu teilweise erheblichen Kostenunterschieden zwischen den Kantonen führt.
Prozesskostenliquidation
Aktuell werden die von der nicht kostenpflichtigen Partei geleisteten Kostenvorschüsse vollumfänglich mit den Gerichtskosten verrechnet. Diese muss im Anschluss die Kosten bei der unterliegenden, kostenpflichtigen Partei (zwangsweise) eintreiben, wodurch sie das gesamte Inkassorisiko trägt. Neu werden die Kostenvorschüsse der obsiegenden Partei vollständig zurückerstattet, wodurch das Inkassorisiko auf das Gemeinwesen übergeht.
Schlichtungsverfahren
Das Schlichtungsverfahren wird gestärkt, indem die Schlichtungsbehörde zusätzliche Kompetenzen erhält. Zudem wird die Verfahrenskoordination vereinfacht und das Familienverfahrensrecht verbessert.
Internationale Handelsgerichte
Der Bund schafft die Voraussetzungen, dass die Kantone internationale Handelsgerichte einrichten können. Diese Gerichte können für zuständig erklärt werden, wenn mindestens eine Partei ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland hat, der Streitwert mindestens
CHF 100’000.- beträgt, die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist und beide Parteien der Zuständigkeit zustimmen. Dadurch wird der Gerichtsplatz Schweiz im internationalen Verhältnis gestärkt. Die internationalen Handelsgerichte werden über spezielles Fachwissen verfügen, wobei insbesondere Englisch als Verfahrenssprache zugelassen wird. Das Bundesgericht wird seine Verfahren aber weiterhin in einer Landessprache führen, die Einreichung von Rechtsschriften in englischer Sprache ist aber möglich.
Digitale Durchführung von Verhandlungen
Gerichte können künftig in Zivilprozessen Video- und in Ausnahmefällen Telefonkonferenzen einsetzen. Die technischen Voraussetzungen sowie Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen regelt der Bundesrat in einer Verordnung, deren Vernehmlassung am 14. Februar 2024 eröffnet wurde und bis zum 22. Mai 2024 dauert.
Mitwirkungsverweigerungsrecht für unternehmensinterne Rechtsdienste
Eine Person kann künftig die Mitwirkung und Herausgabe von Unterlagen im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres unternehmensinternen Rechtsdienstes verweigern, wenn die Partei im schweizerischen Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen ist, der Rechtsdienst von einer Person mit Anwaltspatent geleitet wird und die Tätigkeit als berufsspezifisch für einen Anwalt oder eine Anwältin gelten würde. Dies gilt auch für Unternehmensjuristinnen und -juristen im Rahmen ihrer Tätigkeit im unternehmensinternen Rechtsdienst.
Vorsorgliche Massnahmen gegen Medien
Die Anforderungen für die gerichtliche Anordnung von vorsorglichen Massnahmen gegen periodisch erscheinende Medien werden gesenkt. Die drohende Rechtsverletzung muss neu keinen «besonders schweren Nachteil» mehr verursachen, sondern nur noch einen «schweren Nachteil». Die übrigen Voraussetzungen bleiben unverändert.