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Die StPO-Revision aus Sicht der Strafverteidigung

Am 1. Januar 2024 trat bekanntlich die teilrevidierte Strafprozessordnung in Kraft. Ziel der Revision waren unter anderem die Tauglichkeit einzelner Regelungen in der Praxis zu verbessern, aber auch die langjährige bundesgerichtliche Rechtsprechung auf gesetzlicher Ebene festzuhalten. Durch die Neuerungen haben sich u.a. auch aus Sicht der Verteidigung resp. des Beschuldigten in verfahrensrechtlicher Hinsicht Änderungen ergeben.

Technische Hilfsmittel bei Einvernahmen

Art. 78 StPO schreibt vor, dass Aussagen der Parteien laufend zu protokollieren sind und das Protokoll der einvernommenen Person im Anschluss vorgelesen oder vorgelegt und zur Unterzeichnung unterbreitet werden muss. Bislang konnten lediglich Einvernahmen während des gerichtlichen Hauptverfahrens aufgezeichnet werden, wodurch auf das Vorlesen oder Vorlegen des Protokolls verzichtet werden konnte. Neu ist nun die Aufzeichnung aller Einvernahmen durch technische Hilfsmittel möglich, also bereits schon beim Vorverfahren (Art. 78a StPO).

Zum einen stellt dies zweifelsohne eine Erleichterung für die protokollführende Person dar, v.a. bei ausschweifenden Antworten der befragten Person. Zum andern ist dies auch aus Sicht der Verteidigung begrüssenswert, zumal so überprüft werden kann, ob bei der Befragung Suggestivfragen gestellt wurden. Zudem wird es künftig wohl auch keine Diskussionen mehr darüber geben, ob die Aussage tatsächlich so getätigt wurde wie es im Protokoll festgehalten wurde. Es bleibt jedoch zu erwähnen, dass es sich bei der Protokollierung nicht um eine zwingende Vorschrift handelt und im Ermessen der Strafverfolgungsbehörde liegt, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will oder nicht.

Änderungen hinsichtlich der Zivilklage

Bis anhin konnte die Privatklägerschaft dem Gericht erst in der Verhandlung kundtun, weshalb und wie viel Schadenersatz und/oder Genugtuung sie von der beschuldigten Person verlangt. Aus Sicht der Verteidigung war dies v.a. bei einem komplexen Straffall schwierig, da innert kürzester Zeit und ohne Möglichkeit zur Vorbereitung zur Forderung Stellung genommen werden musste.

Neu hat die Privatklägerschaft ihre Zivilklage – im Rahmen der angesetzten Beweismittelfirst – bereits vor der Hauptverhandlung genau zu beziffern und zu begründen (Art. 123 Abs. 2 und Art. 331 Abs. 2 StPO). Dies stellt für die Verteidigung eine enorme Erleichterung dar, da sie nun die Möglichkeit hat, sich im Voraus und in Ruhe mit der Zivilforderung auseinandersetzten zu können.

Gemäss Art. 353 Abs. 2 StPO kann die Staatsanwaltschaft nun im Strafbefehlsverfahren über Zivilforderungen bis CHF 30’000.00 entscheiden, sofern keine weiteren Beweiserhebungen möglich sind und der Entscheid auf ausreichend geklärten Verhältnissen basiert.

Problematisch ist dabei, dass es sich bei dem Strafbefehlsverfahren um ein Massengeschäft im «Summarverfahren» handelt. Oftmals ist die beschuldigte Person dabei nicht anwaltlich vertreten, was schlimmstenfalls dazu führen kann, dass sie zur Bezahlung einer Zivilforderung verurteilt wird, welche in einem allfälligen Zivilverfahren möglicherweise chancenlos gewesen wäre.

Michael Kummer
Michael Kummer 
Senior Partner 

kummer@stach.ch
+41 (0)71 278 78 28

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