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Aktienrechtsrevision per 1. Januar 2023: Sanierungsmassnahmen und Haftung des Verwaltungsrates bei drohender Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung

Die Bestimmungen betreffend Sanierungsmassnahmen wurden im Zuge der Aktienrechtsrevision angepasst. Im Rahmen dieser Neuerungen wurde die revidierte Bestimmung zur Überschuldung und zum Kapitalverlust sowie der neue Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit eingeführt. Mit den Anpassungen wollte der Gesetzgeber insbesondere die Pflichten des Verwaltungsrats konkretisieren bzw. ausweiten. Die revidierten Bestimmungen finden sich in Art. 725 – 725c OR. Damit sollen möglichst frühe Sanierungsschritte gefördert werden und so künftig Gläubiger und Gläubigerinnen besser geschützt werden. Es ist zu beachten, dass die Bestimmungen gleichermassen auf die GmbH Anwendung finden.

Bei Verletzung der Bestimmungen droht eine Schadenersatzpflicht nach Art. 754 OR (sog. aktienrechtliche Verantwortlichkeit), zum anderen können strafrechtliche Konsequenzen gemäss Art. 165 StGB (Misswirtschaft) in Betracht fallen.

Drohende Zahlungsunfähigkeit (Art. 725 OR)

Der neue Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit soll das Bewusstsein des VR für die Liquidität schärfen und Handlungspflichten zur Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit statuieren. Der VR ist verpflichtet, die finanzielle Stabilität der Firma kontinuierlich zu überwachen. Bei Anzeichen von Zahlungsunfähigkeit muss er unverzüglich geeignete Schritte unternehmen, um die finanzielle Lage zu sichern. Falls nötig, muss er weitere Sanierungsmassnahmen ergreifen oder diese der Generalversammlung beantragen. Darüber hinaus muss der VR ein gegebenenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung einreichen, wenn die Sanierung in Frage gestellt ist. Das Gesetz definiert den Begriff der «drohenden Zahlungsunfähigkeit» nicht, so dass dem VR ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt.

Kapitalverlust (Art. 725a OR)

Zeigt die letzte Jahresrechnung, dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken, so muss der VR Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts ergreifen. Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche. Hat die Gesellschaft keine Revisionsstelle, so muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung überdies einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterzogen werden. Die Revisionspflicht entfällt, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht.

Überschuldung (Art. 725b OR)

Bei begründeter Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, muss der VR unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten erstellen. In gewissen Fällen kann auf einen dieser beiden Zwischenabschlüsse verzichtet werden. Der VR muss die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen lassen. Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der VR das Gericht. Dieses eröffnet den Konkurs oder verfährt nach Artikel 173a SchKG. Art. 725b Abs. 4 OR definiert Fälle, in welchen die Benachrichtigung des Gerichts unterbleiben kann.

Michael Kummer
Michael Kummer 
Senior Partner 

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