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Coronavirus: Was ist das Notrecht des Bundesrates?

Seit dem Ausbruch des Coronavirus in Italien häufen sich die Medienkonferenzen des Bundesrates und damit auch die Einschränkungen auf das alltägliche Leben der Schweizerinnen und Schweizer. Ohne Mitsprache des Stimmvolkes werden unsere Grundrechte in ihrem Geltungsbereich tangiert und trotzdem sind sie als legitimiert anzusehen. Die Medien nennen dies das Notrecht oder den Notstand, doch es stellt sich die Frage, was das genau ist.

Was ist Notrecht oder Notstand?

Diese beiden Begriffe sind nicht in der Bundesverfassung enthalten. Notrecht begründet jedoch grundsätzlich, dass die Gewalten Judikative und Legislative beim Bundesrat, der Exekutive, konzentriert werden. Dies verschafft dem Bundesrat einen breiten Handlungsspielraum, ohne dass das Parlament oder die Stände diesen Handlungen zustimmen müssen. 

Notstand ist grundsätzlich gleichzusetzen mit einem Ausnahmezustand. In der Schweiz redet man von einem Notstand, wenn die öffentliche Ordnung sowie die innere und äussere Sicherheit durch eine schwere Störung bedroht ist.

Wie ist das Notrecht in der Schweiz geregelt?

Das Notrecht in der Schweiz ist in Artikel 185 der Bundesverfassung geregelt. Danach hat in der Schweiz der Bundesrat die Aufgabe die äussere und innere Sicherheit zu wahren. Gestützt auf diese Aufgabe hat der Bundesrat nach Absatz 3 des gleichen Artikels die Kompetenz Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren und äusseren Sicherheit zu begegnen. Dazu gehört die Schliessung von Geschäften, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit sowie Versammlungsfreiheit oder das Aufbieten der Armee. Zudem können noch einige weitere Massnahmen verabschiedet werden, die die Grundrechte der Bevölkerung einschränken. Ein wichtiges Merkmal bei der Bestimmung solcher Massnahmen durch den Bundesrat ist die Verhältnismässigkeit und die Erforderlichkeit. Es ist dem Bundesrat somit nicht erlaubt willkürliche Massnahmen zu ergreifen. Er muss situationsabhängig, unter Abwägung von Ziel und Mittel entscheiden und ist an die Bestimmungen der Bundesverfassung gebunden. 

Begründet die ausserordentliche Lage das Notrecht?

Die ausserordentliche Lage nach Epidemiengesetz (EpG) ist die höchste Gefahreneinschätzung, die im EpG genannt ist und verschafft dem Bundesrat weitreichende Kompetenzen. Nach Artikel 7 des Epidemiengesetzes kann der Bundesrat für das ganze Land Massnahmen zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit anordnen. Dies begründet Notrecht sobald Massnahmen im Zusammenhang mit dem konstitutionellen Notrecht getroffen werden.

Wäre der Bundesrat befugt eine Ausgangssperre zu verhängen?

Auf den Sozialen Medien wird immer mehr von einer Ausgangssperre gesprochen oder sogar eine Ausgangssperre gefordert. Diese Massnahme ist eine sehr einschneidende Massnahme, welche unsere Grundrechte in ihrem Kern stark einschränken würde. Trotzdem kann der Bundesrat unter Vorbehalt des Schutzes der Bevölkerung eine Ausgangssperre verhängen. Diese Massnahme wäre sicherlich gerechtfertigt, wenn es zu einer Verminderung von Erkrankten und Toten führen würde.

Wie lange werden solche Massnahmen/Verordnungen andauern?

Der Bundesrat muss in seiner Notrechtgesetzgebung alle Massnahmen befristen. Dies ist auch an den jetzigen Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus zu erkennen. Weiter müssen die Massnahmen nach maximal sechs Monaten dem Parlament unterbreitet werden, sonst treten sie ausser Kraft.

Wird man bestraft, wenn man sich nicht an die Notverordnungen des Bundesrates hält?

Das Empidemiengesetz beinhaltet einige Strafbestimmungen, welche unerlaubte Handlungen unter Strafe stellen. Abgesehen davon kann der Bundesrat Strafnormen in seine Verordnungen aufnehmen. Der Bundesrat bleibt aber auch hier an das Prinzip der Erforderlichkeit gebunden. Wird beispielsweise eine Massnahme ohne Strafandrohung eingehalten, gibt es keinen Grund eine Bestrafung einzuführen. Das gleiche gilt jedoch auch umgekehrt.

Aktuelle Situation

Mit der Wiedereinführung der Grenzkontrollen sowie der Schliessung aller nicht notwendiger Betriebe ist klar, dass sich die Schweiz in einem Notstand befindet und der Bundesrat sein Notrecht ausübt. Dies ist erforderlich um als Kollektiv solidarisch zu handlen, um einen Anstieg der Infektionsrate zu vermeiden und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Die meisten Bestimmungen gelten bis Ende April, eine Verlängerung dieser Bestimmungen ist jedoch möglich. Trotz einschneidender Veränderungen im Alltag ist es nötig, dass man sich an die Massnahmen des Bundesrates hält, damit die Schweiz die Coronakrise mit möglichst wenig Schaden übersteht.

Michael Kummer
Michael Kummer
Senior Partner

kummer@stach.ch
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