Im November 2020 haben die Schweizer Stimmberechtigten die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», auch unter dem Namen Konzernverantwortungsinitiative (KVI) bekannt, abgelehnt. Dies bedeutet, dass nun der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft tritt.
Der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung sieht eine Berichterstattungspflicht für Nicht-KMUs vor, welche anhand einer Teilrevision des Obligationenrechts (OR) im Gesetz verankert werden soll. Zudem sollen auch im Strafrecht neue Strafnormen eingeführt werden, die das Unternehmen oder den Verwaltungsrat bei Verstössen zur Verantwortung ziehen. Der Gegenvorschlag sieht weiter neue Sorgfaltspflichten in den Bereichen Kinderarbeit und Konfliktmineralien vor. Der indirekte Gegenvorschlag wird als Nächstes im Bundesblatt veröffentlicht, womit die 100-tägige Frist beginnt, in der ein fakultatives Referendum möglich ist.
Die vorgesehene Berichterstattungspflicht gilt nicht für alle Unternehmen. Von der Pflicht betroffen sind nur Unternehmen, die eine Bilanzsumme von mindestens CHF 20 Millionen oder einen Umsatzerlös von mindestens CHF 40 Millionen aufweisen. Zudem muss das Unternehmen mindestens 500 Vollzeitangestellte im Jahresdurchschnitt beschäftigen, damit es von der Berichterstattungspflicht betroffen ist (neuArt. 964bis Abs. 1 OR / neuArt. 964a Abs. 1 OR). Die Berichte, auch ESG-Berichte genannt, müssen Informationen zu den Themen Umwelt, Soziales, Arbeitnehmende, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption im In- und Ausland enthalten. Diese Informationen sollen den verschiedenen Stakeholdern einen besseren Aufschluss über die Unternehmenstätigkeiten geben (neuArt. 964ter Abs. 1 OR / neuArt. 964b Abs. 1 OR).
Die neu vorgesehene Sorgfaltspflicht trifft alle Unternehmen, welche ihren Sitz in der Schweiz haben und Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten, oder Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei welchen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter dem Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden (neuArt. 964quinquies Abs. 1 Ziff. 1 OR / neuArt. 964j Abs. 1 Ziff. 1 & 2 OR). Die Sorgfaltspflicht fordert folgende vier Massnahmen, die ein betroffenes Unternehmen zu ergreifen hat:
- Implementierung eines Managementsystems zur Festlegung einer Lieferkettenpolitik und um die Zurückverfolgung von Lieferketten zu gewährleisten;
- Implementierung eines Risikomanagementsystems, welches Massnahmen zur Ermittlung und Minimierung von Risiken entlang der Lieferkette gewährleistet;
- Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten muss durch eine unabhängige Person geprüft werden (dies betrifft nur die Sorgfaltspflicht bezüglich Konfliktmineralien);
- Das Unternehmen hat jährlich einen Bericht zu erstatten.
Der indirekte Gegenvorschlag sieht wie erwähnt auch Sanktionen vor. Künftig sollen Unternehmen, die vorsätzlich falsche Angaben machen oder gegen die gesetzliche Aufbewahrungspflicht verstossen, mit einer Busse von CHF 100’000 bestraft werden. Wer fahrlässig gegen diese Bestimmungen verstösst, wird mit einer Busse von CHF 50’000 bestraft.
Die KVI sowie der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung folgen dem Nachhaltigkeitstrend, welcher in den vergangenen Jahren immer mehr Aufschwung erhalten hat. Die Veröffentlichung von nichtfinanziellen Kennzahlen hilft aber nicht nur den Interessengruppen, sondern kann auch für das Unternehmen selber Vorteile schaffen. Dennoch führen die vorgesehenen Pflichten zu einem grossen administrativen Aufwand und können in einigen Unternehmen auch zu strukturellen Anpassungen führen. Denkbar ist, dass Unternehmen sich aus gewissen Märkten zurückziehen oder ihre ganze Lieferkette überdenken, da ansonsten ein Reputationsschaden zu befürchten ist. Folglich kann dies auch zu erhöhtem finanziellen Aufwand führen. Unsicher bleibt, ob der indirekte Gegenvorschlag dazu führt, dass die Schweiz als Unternehmensstandort an Attraktivität verliert.