Safe Haven Regeln stellen im internationalen Steuerrecht Regelungen dar, welche dazu dienen sollen die Festlegung von konzernintern Verrechnungspreisen zu vereinfachen. Solche Regeln bestehen auch in der Schweiz.
Unternehmen benötigen für die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit finanzielle Mittel. Ein Aktionär, der Eigenkapital zur Verfügung stellt, wird im Allgemeinen durch Dividendenzahlungen entschädigt. Diese bilden auf Unternehmensseite nicht absetzbare Kosten. Auf der Ebene des Empfängers sind solche Dividendeneinkünfte, um die Doppelbesteuerung zu mildern oder zu vermeiden, häufig steuerbefreit oder werden begünstigt besteuert. Umgekehrt führt die Bereitstellung von Fremdkapital zu Zinsaufwendungen, die in der Regel auf Unternehmensebene steuerlich absetzbar und beim Zahlungsempfänger steuerpflichtig sind. Bei solchen Zinsen an eine Drittperson handelt es sich nicht um eine geldwerte Leistung.
Werden nun Darlehen von oder an Aktionäre bzw. nahestehende Personen gewährt, so spricht man von einer konzerninternen Finanzierung. Der Begriff «konzerninterner Finanzierung» umfasst alle Finanzierungsarten innerhalb von Konzernen im Nicht-Bankensektor. Die wichtigste Form stellt dabei die Darlehensvergabe dar. Werden unverzinsliche oder nicht genügen verzinste Vorschüsse oder Darlehen an Beteiligte oder nahestehende Dritte gewährt, so stellt dies eine geldwerte Leistung dar. Werden Darlehen von Aktionären oder nahestehenden Personen zu hoch verzinst, so stellt dies ebenfalls eine geldwerte Leistung dar.
Geldwerte Leistungen unterliegen der Verrechnungssteuer von 35% und sind innert 30 Tagen unaufgefordert zu deklarieren. Um zu bestimmen, ab wann vermutungsgemäss eine geldwerte Leistung vorliegt, werden in der Schweiz jährlich mittels Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) Safe Haven Zinssätze festgelegt. Kann der Drittvergleich nachgewiesen werde, so stellen auch Zinsen ausserhalb der Safe Haven Zinssätze keine geldwerte Leistung dar.
Darlehen in Schweizer Franken von Schweizer Gesellschaften (Aktivdarlehen)
Der Mindestzinssatz für eigenkapitalfinanzierte Darlehen in Schweizer Franken, die eine Schweizer Gesellschaft ihren Aktionären oder anderen nahestehenden Personen gewährt, beträgt im Jahr 2022 0.25%.
Für fremdkapitalfinanzierte Darlehen entspricht der von der ESTV für 2022 verlangte Mindestzinssatz – wie bereits in den letzten Jahren – den Fremdfinanzierungkosten der Schweizer Gesellschaft zuzüglich eines Zuschlags von 0.5 % für Darlehen bis CHF 10 Mio. (bzw. eines Zuschlags von 0.25 % für den CHF 10 Mio. übersteigenden Betrag).
Darlehen in Schweizer Franken an Schweizer Gesellschaften (Passivdarlehen)
Gemäss Rundschreiben der ESTV vom 27. Januar 2022 dürfen Aktionärsdarlehen an ein Schweizer Handels- oder Fabrikationsunternehmen in Schweizer Franken bis zu CHF 1 Mio. im Sinne einer Safe-Haven-Regel zu maximal 3 % und Betriebskredite ab CHF 1 Mio. mit maximal 1 % verzinst werden. Kredite an Holding- und Vermögensverwaltungsgesellschaften dürfen mit maximal 2.5 % bzw. ab CHF 1 Mio. mit maximal 0.75 % verzinst werden.
Darlehen in Fremdwährung von Schweizer Gesellschaften (Aktivdarlehen)
Wenn Darlehen nicht in Schweizer Franken gewährt werden, sind grundsätzlich andere Safe Haven Zinssätze zu verwenden. Diese werden in einem separaten Rundschreiben publiziert. Bis auf Darlehen in chinesischen Renminbi, dänischen Kronen, Hongkong Dollar, indischen Rupien, japanischen Yen, norwegischen Kronen, polnischen Zloty, südkoreanischen Won und thailändischen Baht hat die ESTV die zulässigen Mindestzinssätze bei Darlehen in Fremdwährungen gegenüber 2021 teilweise erheblich erhöht.
Darlehen in Fremdwährung an Schweizer Gesellschaften (Passivdarlehen)
Die Zinssätze gemäss Tabelle im Rundschreiben sind für Darlehen von Schweizer Gesellschaften an Aktionäre oder nahestehende Dritte anwendbar. Im Sinne einer Safe Haven-Lösung kann gemäss ESTV für Darlehen in Fremdwährung von Aktionären oder nahestehenden Personen an Schweizer Gesellschaften analog dem Rundschreiben der ESTV betreffend steuerlich anerkannten Zinssätze 2022 für Darlehen in Schweizer Franken bei sogenannten Betriebskrediten der gleiche Zinsaufschlag (bis Gegenwert CHF 1 Mio. 2.75 % bzw. 2.25 % und ab Gegenwert CHF 1 Mio. 0.75 % bzw. 0.5 %) berücksichtigt werden.