In der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge stellen sich oftmals grosse Herausforderungen, da das geltende schweizerische Erbrecht keine Spezialbestimmungen für Unternehmen kennt. Deshalb schlägt der Bundesrat mit der Botschaft vom 10. Juni 2022 spezifische Massnahmen zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vor. Die ersten Anpassungen des Pflichtteilsrechts sind bereits per 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Ziel der Reform ist es, höhere Stabilität für Unternehmen zu gewährleisten.
Als «Unternehmen» im Sinne des Gesetzesentwurfs gelten wirtschaftlich tätige einfache Gesellschaften, Einzelunternehmen und nicht börsenkotierte Handelsgesellschaften. Das Unternehmen kann seine Tätigkeit direkt oder durch eine von ihm kontrollierte Gesellschaft ausüben (Art. 616 Abs. 1 E-ZGB). Nicht umfasst sind Unternehmen, die ausschliesslich das eigene Vermögen verwalten (Art. 616 Abs. 2 E-ZGB). Nachfolgend sollen die wichtigsten Aspekte des Entwurfs dargestellt werden.
1. Integralzuweisung
Ein wichtiger Bestandteil des Revisionsvorhabens ist die sogenannte «Integralzuweisung» des Unternehmens. Diese kann dann zur Anwendung kommen, wenn der Eigentümer oder die Eigentümerin eines Unternehmens verstirbt, im Testament keine Zuweisung festgelegt wurde und eine Erbin oder ein Erbe eine solche für sich verlangt. Durch die neue Möglichkeit der Integralzuweisung soll eine Zerstückelung oder – noch gravierender – eine Schliessung des Unternehmens verhindert werden. Art. 617 E-ZGB ermöglicht damit in Fällen, in denen der Erblasser oder die Erblasserin keine letztwillige Verfügung getroffen hat, die integrale Unternehmensübernahme durch einen Erben oder eine Erbin. Stellen mehrere Erben den Antrag auf Integralzuweisung, hat das Gericht zu entscheiden, wobei es jenem Erben oder jenen Erbin den Vorzug gibt, der oder die für die Führung des Unternehmens besser geeignet ist.
2. Zahlungsaufschub
Ein weiteres Element der Revision bezieht sich auf die Möglichkeit, beim Gericht einen Zahlungsaufschub für die Ausgleichung der übrigen Erben zu verlangen. Nach geltendem Recht ist diese umgehend geschuldet, was mitunter zu Problemen führen kann bei der Unternehmensübernahme. Mit der Möglichkeit des Zahlungsaufschubs soll namentlich vermieden werden, dass die Übernahme des Unternehmens zu Liquiditätsproblemen führt.
3. Ermittlung des Anrechnungswerts
Weiter enthält die Vorlage neue Bestimmungen zur Ermittlung des Anrechnungswerts bzw. zur Bestimmung der Ausgleichungspflicht (Art. 626 ff. ZGB). Unter gewissen Bedingungen – insbesondere wenn der Eigentumsübergang lebzeitig geschieht – soll neu der Zeitpunkt der Übertragung und nicht mehr der Zeitpunkt des Erbgangs massgeblich sein. Damit soll dem unternehmerischen Risiko Rechnung getragen werden, welches die Unternehmensnachfolgerin oder der Unternehmensnachfolger auf sich nimmt, da zwischen der Übertragung des Unternehmens und dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin eine beträchtliche Zeitspanne liegen kann. Zudem wird eine Benachteiligung der anderen Erben hinsichtlich jener Vermögensgegenstände vermieden, die sich aus dem Unternehmen herauslösen lassen, indem in der Unternehmensbewertung zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen unterschieden wird.
4. Schutz von pflichtteilsberechtigten Erben
Schliesslich ist auch ein verstärkter Schutz der pflichtteilsberechtigten Erben vorgesehen. Damit soll vermieden werden, dass diesen ihre Pflichtteile gegen ihren Willen in Form von Minderheitsanteilen am Unternehmen zugewiesen werden. Dies zumindest dann, wenn eine andere Erbin oder ein anderer Erbe die Kontrolle über das Unternehmen hat. Konkret heisst das, dass pflichtteilsberechtigte Erben gegen ihren Willen keine Minderheitsanteile des Unternehmens übernehmen müssen, sondern verlangen können, ihren Erbanteil in Form von anderen Vermögenswerten zu erhalten.