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Klagebewilligung der Widerklage im Schlichtungsverfahren

Schlichtungsverfahren und Klagebewilligung

Dem Entscheidverfahren in Zivilstreitigkeiten hat grundsätzlich ein Schlichtungsversuch voranzugehen (Art. 197 ZPO). Ziel einer solchen Schlichtungsverhandlung ist zum einen die Entlastung der Gerichte, zum anderen soll den Parteien dadurch die Möglichkeit geboten werden, eine nachhaltige Lösung zu finden.

Kann keine Einigung erzielt werden, wird dies im Protokoll festgehalten und die Schlichtungsbehörde erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 ZPO). Nach Eröffnung berechtigt die Klagebewilligung während dreier Monate (bzw. während 30 Tagen in Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen) zur Einreichung der Klage bei Gericht.

Die Widerklage

Der Beklagte hat die Möglichkeit im Rahmen des gegen ihn angehobenen Prozesses selbst gegen den Kläger Klage zu erheben, welche als Widerklage bezeichnet wird. Dabei wird ein selbständiger Anspruch geltend gemacht, mithin ein vom Beklagten geführter Gegenangriff gestartet. Die Widerklage dient der Prozessökonomie, da somit in einem einzigen Verfahren Ansprüche und Gegenansprüche durch die Parteien geltend gemacht werden können.

Keine selbständige Widerklage gestützt auf die Klagebewilligung des Hauptklägers

Lange war unklar, wie mit der Widerklage im Schlichtungsverfahren zu verfahren ist. In der Lehre wurden diesbezüglich verschiedene Auffassungen vertreten. Eine Seite argumentierte damit, dass dem Widerkläger im Schlichtungsverfahren ebenfalls eine Klagebewilligung ausgestellt werden müsse, mit welcher er – unabhängig vom Hauptkläger – an das Gericht gelangen könne bzw. der Widerkläger, gestützt auf die dem Kläger ausgestellte Klagebewilligung, berechtigt sei, selbständig bei Gericht zu klagen, auch wenn der Kläger die Frist zur Klageeinreichung unbenutzt verstreichen lasse. Ein anderer Teil der Lehre war der Ansicht, dass dem Widerkläger keine eigene Klagebewilligung erteilt werden könne, weil seine Klage von derjenigen des Hauptklägers abhängig sei. Erhebe der Hauptkläger bei Gericht keine Klage, entfalle auch die Rechtshängigkeit der bereits im Schlichtungsverfahren erhobenen Widerklage.

Das Bundesgericht hat diese Frage dahingehend entschieden, dass der Widerkläger nicht gestützt auf die des Hauptklägers ausgestellte Klagebewilligung selbständig, bzw. unabhängig vom Hauptkläger bei Gericht Klage einreichen kann (4A_437/2021). Sollte der Kläger die dreimonatige Frist der Klagebewilligung also verstreichen lassen und bei Gericht keine Klage erheben, besteht für den Widerkläger keine Möglichkeit, gestützt auf die dem Hauptkläger ausgestellte Klagebewilligung dennoch ans Gericht zu gelangen. Um seine in der Widerklage erhobenen Ansprüche dennoch gerichtlich geltend machen zu können, steht es ihm frei, selbst ein Schlichtungsgesuch einzureichen und mit der im Rahmen dieser Schlichtung ausgestellten Klagebewilligung zu prosequieren.

Michael Kummer
Michael Kummer 
Senior Partner 

kummer@stach.ch
+41 (0)71 278 78 28

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