Konventionalstrafen sind im Bauwesen ein zentrales Instrument, um die Vertragstreue zu sichern. Sie sollen sicherstellen, dass Termine eingehalten und Vertragsverletzungen vermieden werden. Doch nicht jede vereinbarte Pönale ist durchsetzbar: Nach Art. 163 Abs. 3 OR hat der Richter eine übermässige Strafe nach seinem Ermessen herabzusetzen. Übermässig ist eine Sanktion dann, wenn sie jedes vernünftige Mass übersteigt und mit Recht und Billigkeit nicht mehr vereinbar ist.
Massstab für die Herabsetzung
Die Beurteilung der Übermässigkeit erfolgt stets einzelfallbezogen. Massgebend sind Art und Dauer des Vertrags, die Schwere des Verschuldens, das Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung, die wirtschaftliche Lage der Parteien sowie deren Geschäftserfahrung. Der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Strafe übermässig ist.
Rechtsprechung
Das Bundesgericht betont, dass eine Reduktion nur bei einem «offensichtlichen Missverhältnis» zulässig ist (BGE 133 III 201 E. 5.2). So hat das Bundesgericht in 4A_141/2008 die Herabsetzung einer Konventionalstrafe von CHF 1,8 Mio. auf CHF 800’000 bestätigt und klargestellt, dass Eingriffe nur bei Überschreiten eines vernünftigen Masses gerechtfertigt sind. Eine feste Prozentgrenze existiert sodann nicht. Werte um 10 % des Werklohns wurden verschiedentlich noch akzeptiert, wobei stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend bleiben. In 4A_273/2019 verwarf es eine schematische Begrenzung auf «knapp über 10 %» und verlangte eine Abstützung auf die konkreten Umstände. Prägnant ist auch 4A_653/2016: Dort reduzierte das Bundesgericht eine Pönale, die einer ganzen Jahresentschädigung entsprach, auf lediglich 1/8, da die Strafe «jede vernünftige Grenze» überschritten hatte. Hohe Konventionalstrafen geraten also rasch in den Bereich der Übermässigkeit. Je stärker die vereinbarte Strafe im Verhältnis zum Vertragswert ansteigt, desto eher liegt ein Missverhältnis zum Erfüllungsinteresse vor. Beträge, die einen erheblichen Anteil des Werklohns ausmachen, laufen daher typischerweise Gefahr, richterlich reduziert zu werden.
Prozessuale Überlegungen
Wer eine überhöhte Konventionalstrafe einklagt, muss damit rechnen, dass das Gericht diese gemäss Art. 163 Abs. 3 OR herabsetzt. Eine solche Kürzung führt faktisch zu einem (Teil-)Unterliegen, mit der Folge, dass die klagende Partei die entsprechenden Prozesskosten zu tragen hat. Um dieses Risiko zu begrenzen, bietet sich die Teilklage nach Art. 86 ZPO an. Ist ein Anspruch teilbar, kann der Gläubiger auch nur einen Teilbetrag einklagen und den Restanspruch vorbehalten. Auf diese Weise lässt sich der Antrag auf einen Betrag beschränken, der nach den Umständen realistisch durchsetzbar erscheint. Die Schwierigkeit liegt in der Festlegung der «richtigen» Höhe: Ein zu hoher Antrag erhöht das Kostenrisiko erheblich, ein zu tiefer Antrag bedeutet den Verzicht auf mögliche Ansprüche.
Fazit
Konventionalstrafen sind ein wirkungsvolles Druckmittel, müssen aber verhältnismässig ausgestaltet sein. Eine Reduktion erfolgt nur bei klarer Übermässigkeit. Werte um 10 % des Werklohns sind in der Praxis oft noch akzeptiert worden; bei höheren Grössenordnungen steigt das Risiko einer Kürzung erheblich. Bauherren wie Unternehmer sind gut beraten, bereits bei Vertragsschluss realistische Pönalen vorzusehen und im Streitfall umsichtig über die Höhe einer Klage zu entscheiden.
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