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Übertragung des Eigenheims an die Nachkommen

Häufig möchten betagte Eltern ihr Eigenheim noch zu Lebzeiten einem ihrer Kinder übertragen. Dieser gut gemeinte Vorgang hat jedoch zahlreiche Folgen, welche sich für die Beteiligten negativ auswirken können. Eine frühzeitige Nachlassplanung ist diesbezüglich unerlässlich.

1. Erbrechtliche Folgen

Oftmals erfolgt die Übertragung an die Nachkommen als gemischte Schenkung. Dabei wird ein Kaufpreis gewählt, welcher unter dem Marktpreis liegt. Der restliche Teil wird unentgeltlich übertragen. Im Rahmen der Erbteilung unterliegt die Wertsteigerung der Immobilie und die Differenz zum Marktwert der Ausgleichung zwischen den Erben (Art. 626 ZGB). Die rein unentgeltliche Übertragung des Eigenheims ist als Erbvorbezug zu werten. Der begünstigte Nachkomme ist bezüglich dem Immobilienwert wiederum ausgleichungspflichtig. Dies kann vermieden werden, indem der begünstigte Nachkomme durch die Eltern explizit von der Ausgleichungspflicht befreit wird (Art. 626 Abs. 1 ZGB). Trotz des Ausgleichungsdispenses darf diese Begünstigung die Pflichtteile der anderen gesetzlichen Erben, also des überlebenden Ehegatten und den Geschwistern, nicht verletzen (Art. 470 und 471 ZGB). Sind Pflichtteile verletzt, können die Betroffenen mittels Herabsetzungsklage die Herabsetzung der Zuwendung verlangen, bis ihr Pflichtteil wiederhergestellt ist (Art. 522 Abs. 1 ZGB).

2. Steuerrechtliche Folgen

Steuerrechtlich liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn die Gegenleistung weniger als 75% des Verkehrswerts beträgt. Um die steuerlichen Auswirkungen der Übertragung abzuschätzen, müssen die Vorgaben im jeweiligen Wohnsitzkanton beachtet werden. Im Kanton St.Gallen ist der Gewinn aus dem Verkauf einer Liegenschaft grundstückgewinnsteuerpflichtig. Somit ist auf dem entgeltlichen Teil eine Grundstückgewinnsteuer geschuldet (Art. 130 Abs. 1 StG/SG). Im Fall eines Erbvorbezuges oder einer Schenkung besteht für den unentgeltlichen Teil die Möglichkeit eines Steueraufschubs (Art. 132 Abs. 1 lit. a StG/SG). Eine Schenkung an direkte Nachkommen unterliegt im Kanton St. Gallen allerdings nicht der Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer (Art. 37 Abs. 1 lit. a StG/SG).

3. Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Schenkungen an die Nachkommen können im Hinblick auf künftige Heimkosten relevant sein. Im Sozialversicherungsrecht werden Schenkungen und Erbvorbezüge als freiwilliger Vermögensverzicht bewertet, sobald eine Gegenleistung wertmässig weniger als 90% des Vermögensgegenstandes beträgt (Art. 17b ELV). Der Vermögensverzicht wird mitsamt Zinsen dem vorhandenen Vermögen angerechnet und jährlich um CHF 10‘000 reduziert. (Art. 11a Abs. 2 ELG). Reicht das Vermögen der Eltern für allfällige Pflege- und Heimkosten nicht aus, können diese aufgrund der Anrechnung des verschenkten Vermögens häufig keine oder nur geringe Ergänzungsleistungen beanspruchen. Unter Umständen greift in diesem Fall die Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328 ZGB, wenn die Nachkommen in wohlhabenden Vermögensverhältnissen leben. Sind die Pflege- oder Heimkosten dennoch nicht gedeckt, muss subsidiär auf die Sozialhilfe zurückgegriffen werden (Art. 2 Abs. 2 SHG/SG).

4. Gestaltungsmöglichkeiten[1]

a) Vollentgeltlicher Verkauf der Immobilie

Wenn der Wert der Immobilie unabhängig geschätzt und auf dieser Grundlage ein adäquater Preis festgelegt wird, erfolgt ein komplett entgeltliches Rechtsgeschäft. Dadurch stellen sich künftig keine Fragen bezüglich erbrechtlicher Ausgleichung und Herabsetzung und in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht erfolgt kein freiwilliger Vermögensverzicht. Kann der Nachkomme nicht für diesen Preis aufkommen, besteht immer noch die Möglichkeit, Geld zu schenken. Dies hat gegenüber einer (gemischten) Schenkung einer Immobilie den Vorteil, dass es später keine Wertsteigerung auszugleichen gilt.

b) Abschluss eines Erbvertrags

Um Klarheit zu schaffen, bietet sich der Abschluss eines Erbvertrags mit sämtlichen Erbinnen und Erben nach Art. 512 ff. ZGB an. Darin können zahlreiche Fragen wie z.B. ein allfälliger Erbverzicht, die massgeblichen Werte für die Ausgleichung, ein Erbauskauf sowie etwaige Gewinnanteils-, Vorkaufs- und Rückkaufsrechte, verbindlich und einvernehmlich geregelt werden. Für die Form des Erbvertrages ist zu beachten, dass er öffentlich beurkundet und im Beisein von zwei Zeugen unterzeichnet werden muss (Art. 512 Abs. 1 und 2 ZGB).

c) Nutzniessung und Wohnrecht

Falls die Eltern oder ein Elternteil trotz Übertragung an die Nachkommen noch im Haus leben möchten, kann eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht bis zum Versterben vertraglich vereinbart werden. Die Nutzniessung verleiht den Berechtigten ein Recht auf Besitz, Gebrauch und Nutzung auf das ganze Grundstück oder Teile davon (Art. 745 ff. ZGB). Somit können die Eltern darin wohnen, es aber auch vermieten und die Mietzinse für den Lebensunterhalt verwenden. Mit dem Wohnrecht ist es den Eltern gestattet, im Haus zu wohnen, jedoch ohne weitergehende Nutzungsrechte (Art. 776 ff. ZGB). Für die Errichtung sowohl der Nutzniessung als auch des Wohnrechts ist die Eintragung im Grundbuch erforderlich (Art. 746 ZGB und Art. 776 Abs. 3 ZGB). Bei der Nutzniessung ist jedoch zu beachten, dass die Berechtigten die Kosten für den gewöhnlichen Unterhalt und die Bewirtschaftung der Sache tragen müssen sowie zur Verwaltung verpflichtet sind (Art. 755 und 764 f. ZGB). Steuern und Abgaben in Bezug auf die Immobilie sowie Zinsen für eine allfällige Hypothek und Versicherungsprämien sind ebenfalls von den Berechtigten zu entrichten (Art. 765 ZGB). Beim Wohnrecht stehen den berechtigten Personen zwar weniger Befugnisse zu, dafür sind sie aber zu deutlich weniger Lasten verpflichtet, da sie lediglich für den gewöhnlichen Unterhalt der Immobilie aufkommen müssen (Art. 778 Abs. ZGB).


[1] Vgl. Suzan Can et. al., Hausverkauf an Kinder im Alter, AJP/PJA 9/2021, S. 1112- 1130.

Michael Kummer
Michael Kummer 
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