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Neuer Bundesgerichtsentscheid zur Anordnung der Sicherheitshaft

In seinem neuen Entscheid konkretisierte das Bundesgericht die Voraussetzungen für Sicherheitshaft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1bis StPO. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob diese besonders strenge Form der Haftanordnung bei schweren Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz überhaupt zulässig ist, wenn nicht bereits zwei gleichartige Vorstrafen vorliegen. Im konkreten Fall soll die Beschuldigte zwischen August 2023 und Mai 2024 insgesamt 750g Kokain besessen haben, wobei sie mindestens 30g davon an Dritte weitergegeben oder verkauft haben soll. Im Mai 2024 wurde die Beschuldigte verhaftet und war bis November 2024 in Untersuchungshaft. Nach Anklageerhebung beantragte die Staatsanwaltschaft Sicherheitshaft. Dies wurde vom Zwangsmassnahmengericht bewilligt. Ein erneutes Haftentlassungsgesuch blieb erfolglos, da das Obergericht qualifizierte Wiederholungsgefahr bejahte. Gegen diesen Entscheid gelangte die Beschuldigte an das Bundesgericht und verlangte die sofortige Haftentlassung. Die Beschuldigte war im Verfahren geständig, hatte aber nicht bereits zwei Vorverurteilungen. Das Bundesgericht hob den Entscheid der Vorinstanz auf und ordnete die sofortige Haftentlassung an. Es kam zum Schluss, dass die qualifizierte Wiederholungsgefahr eine ernsthafte und unmittelbare Bedrohung hochwertiger Individualrechtsgüter (also psychische, physische oder sexuelle Integrität) voraussetzt. Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz sind in der Regel abstrakte Gefährdungsdelikte und haben (ausser in Ausnahmekonstellationen) keine unmittelbar geschädigten Opfer. Das Bundesgericht stellt fest, dass selbst qualifizierte Drogendelikte, wie bspw. der Handel mit erheblichen Mengen, somit grundsätzlich keine qualifizierte Wiederholungsgefahr im Sinne der Strafprozessordnung begründen. Auch die allgemeine Rückfallgefahr reicht für die Inhaftierung nach dieser Norm nicht aus.

Michael Kummer
Michael Kummer 
Senior Partner 

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