Die Übertragung von Arztpraxen stellt eine komplexe rechtliche und wirtschaftliche Herausforderung dar. Dabei kommen verschiedene Instrumente zur Risikominderung und Wertbestimmung zum Einsatz. Ein vielverbreitetes Instrument ist dabei die Earn-Out-Klausel, die den Kaufpreis an die zukünftige Leistung der Praxis bindet. Wie die Earn-Out-Klausel funktioniert, und welche Risiken sowie praktische Implikationen für Käufer und Verkäufer daraus resultieren, wird im Nachfolgenden in Form von 10 Fragen und Antworten aufgezeigt.
1. Was ist eine Earn-Out-Klausel?
Eine Earn-Out-Klausel ist eine Vereinbarung, bei der ein Teil des Kaufpreises für eine Praxis erst nachträglich auf Basis der zukünftigen Leistung der Praxis gezahlt wird. Das bedeutet, dass der Verkäufer (zusätzlich zum fixen Kaufpreis) eine erfolgsabhängige Zahlung erhält, wenn bestimmte Zielvorgaben erreicht werden, z. B. in Bezug auf Umsatz, Gewinn oder Patientenanzahl.
2. Warum werden Earn-Out-Klauseln bei der Übertragung von Ärztepraxen verwendet?
Die Earn-Out-Klausel dient sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer als Absicherung. Für den Käufer stellt sie sicher, dass er den vollen Kaufpreis nur für eine erfolgreiche Praxis zahlt. Für den Verkäufer besteht die Möglichkeit, von einem höheren Kaufpreis zu profitieren, wenn er die Praxis erfolgreich übergibt und die vereinbarten Leistungsziele erreicht werden. Auch hat der Verkäufer die Möglichkeit, schrittweise die Praxis zu übergeben, wodurch ihm der Berufsausstieg erleichtert wird.
3. Welche Ziele können für eine Earn-Out-Klausel festgelegt werden?
Typische Zielvorgaben für eine Earn-Out-Klausel sind Umsatzsteigerungen, Erreichung bestimmter Gewinnmargen oder eine festgelegte Anzahl von Patientenbesuchen. Auch die Bindung von Mitarbeitern oder die erfolgreiche Integration der Praxis in ein grösseres Netzwerk können als Ziele herangezogen werden. Es ist allerdings entscheidend, dass diese Ziele objektiv messbar und realistisch erreichbar sind.
4. Wie lange dauert eine Earn-Out-Periode in der Regel
Die Dauer der Earn-Out-Periode variiert je nach Vertrag und den spezifischen Zielen. Üblicherweise liegt die Dauer zwischen 1 und 5 Jahren. In der Regel wird eine kürzere Periode gewählt, um die Leistung der Praxis schnell zu messen und den Übergang zwischen Käufer und Verkäufer zu erleichtern.
5. Wie wird die Earn-Out-Zahlung berechnet?
Die Berechnung erfolgt auf Basis der vertraglich festgelegten Ziele. Wenn beispielsweise ein bestimmter Umsatz erzielt wird, könnte der Verkäufer einen Prozentsatz des Umsatzes als zusätzliche Zahlung erhalten. Die genaue Berechnungsweise sollte im Vertrag detailliert festgelegt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
6. Was passiert, wenn die festgelegten Ziele nicht erreicht werden?
Wenn die festgelegten Ziele innerhalb der Earn-Out-Periode nicht erreicht werden, erhält der Verkäufer entweder keine Earn-Out-Zahlung oder nur einen reduzierten Betrag. Das gibt dem Käufer die Sicherheit, dass er nicht mehr für die Praxis bezahlt, als sie tatsächlich Wert ist. Für den Verkäufer stellt dies jedoch ein Risiko dar, da er möglicherweise auf den „Bonus“ verzichten muss, wenn die Praxis nicht die erwartete Leistung erzielt.
7. Kann der Verkäufer weiterhin in der Praxis tätig sein, nachdem die Earn-Out-Klausel aktiviert wurde?
Ob der Verkäufer nach dem Verkauf weiterhin in der Praxis tätig bleibt, hängt von der Vereinbarung der Parteien ab. Häufig bleibt der Verkäufer für eine Übergangszeit im Betrieb, um die Praxis an den Käufer zu übergeben und dabei zu helfen, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Dies kann besonders wichtig sein, um das Vertrauen der Patienten zu wahren und die reibungslose Integration in das bestehende Praxisumfeld zu gewährleisten. In Fällen, in denen es jedoch zu persönlichen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien kommt, kann der Verkäufer die Praxis auch direkt und ohne Übergangsregelung übergeben. In solchen Fällen entscheiden sich die Parteien oft gegen die Einbeziehung einer Earn-Out-Klausel, da diese in der Regel eine fortlaufende Zusammenarbeit und die Erreichung gemeinsamer Ziele voraussetzt.
8. Welche Risiken bestehen für den Verkäufer bei einer Earn-Out-Klausel?
Für den Verkäufer besteht das Risiko, dass die Zielvorgaben nicht erreicht werden, was zu einer geringeren oder gar keiner zusätzlichen Zahlung führt. Auch die Praxisführung unter neuer Leitung kann Einfluss auf die Leistung haben, was ebenfalls zu einem geringeren Earn-Out führen könnte.
9. Welche Risiken gibt es für den Käufer bei einer Earn-Out-Klausel?
Eine Earn-Out-Klausel schiebt die Zahlung eines Teils des Kaufpreises in die Zukunft, was zu Unsicherheit führt. Der Käufer hat nicht sofort Klarheit über den Gesamtpreis der Übernahme. Zudem ist der Käufer auf die kontinuierlich gute Entwicklung der Praxis angewiesen, was in einem dynamischen und oft unvorhersehbaren Sektor wie dem Gesundheitswesen ein Risiko darstellt. Es könnte zwar in den relevanten Jahren zu hohen Leistungen und damit zu einem höheren Kaufpreis kommen, jedoch besteht das Risiko, dass sich die Leistung der Praxis nach Vertragsabschluss wieder verschlechtert. In diesem Fall hätte der Käufer möglicherweise einen überhöhten Preis gezahlt.
10. Wie können beide Parteien die Earn-Out-Klausel fair gestalten?
Um eine faire Vereinbarung zu treffen, sollten sowohl Käufer als auch Verkäufer klare und messbare Ziele vereinbaren, die realistisch und erreichbar sind. Ausserdem sollten Regelungen zu Überwachungsmechanismen und der Berechnung der Earn-Out-Zahlungen getroffen werden. Es empfiehlt sich, externe Experten wie Wirtschaftsprüfer oder Berater hinzuzuziehen, um die Ziele und die Berechnungsweise objektiv und nachvollziehbar zu gestalten. Eine transparente Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer sowie eine detaillierte vertragliche Regelung sind unerlässlich, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

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