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Die Übernahme der Credit Suisse und Anwendung des Notrechts

In der Geschichte der Schweiz hat das Notrecht eine bedeutende Rolle gespielt, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit. Das Notrecht erlaubt es dem Bundesrat, in Krisenzeiten entschlossene Massnahmen zu ergreifen, die das Gemeinwohl schützen sollen. Der prominenteste Einsatz des Notrechts fand im Jahr 2008 statt, als die UBS, von einer drohenden Insolvenz bedroht, mit einem Rettungspaket von 6 Milliarden Franken unterstützt wurde. Jüngste Ereignisse haben erneut die Aktivierung dieses Mechanismus in den Vordergrund gerückt: Die Rettung der Credit Suisse.

Bezug zur Aussenpolitik

Die Berufung des Bundesrats auf die Artikel 184 und 185 der Bundesverfassung, insbesondere im Kontext des Finanzmarktes, ist juristisch interessant. Während diese Artikel primär die diplomatischen Beziehungen und die nationale Sicherheit betreffen, hat der Bundesrat sie als Grundlage für seine Interventionen im Finanzsektor verwendet. Artikel 184 insbesondere erlaubt dem Bundesrat, in der Führung der Aussenpolitik zu agieren, einschliesslich der Sicherstellung der aussenpolitischen Interessen der Schweiz.

Gleichsetzung der Interessen des Finanzplatzes mit den Landesinteressen

In den letzten Jahren hat der Bundesrat eine zunehmend expansive Interpretation von Artikel 184 vorgenommen. Diese Entwicklung wurde insbesondere nach der Rettung der UBS sichtbar, als der Bundesrat argumentierte, dass die Reputation des schweizerischen Finanzplatzes im Ausland von zentraler Bedeutung sei. Diese Perspektive impliziert, dass der schweizerische Finanzplatz nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus aussenpolitischer Perspektive betrachtet werden sollte. Somit wurde das Wohl des Finanzplatzes als ein aussenpolitisches Interesse angesehen, welches mit anderen zentralen nationalen Interessen vergleichbar ist.

Die Auslegung dieser Verfassungsartikel hat in der Lehre eine intensive Debatte ausgelöst. Es gibt eine Vielzahl von Perspektiven darüber, wie und wann diese Artikel angewendet werden sollten. Der Kern dieser Debatte dreht sich um die Frage, ob die aktuelle Verwendung dieser Artikel im Einklang mit ihrem ursprünglichen Zweck steht. Das Gleichgewicht zwischen der Bewahrung der wirtschaftlichen Stabilität und der Einhaltung verfassungsmäßiger Grenzen ist ein ständiges Anliegen.

Eigentumsrecht: Auswirkungen und juristische Rechtfertigung

Die Anwendung des Notrechts im Kontext der Credit Suisse hat tiefe rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen. Wenn das Wettbewerbsrecht überstimmt und das Eigentumsrecht eingeschränkt wird, stellt sich die Frage nach den Grenzen staatlicher Eingriffe. Eine solche Intervention bedeutet faktisch eine Enteignung der Aktionäre. Dennoch kann argumentiert werden, dass angesichts der beispiellosen wirtschaftlichen Dringlichkeit eine solche Intervention nicht nur notwendig, sondern auch rechtlich gerechtfertigt ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Balance zwischen Notrecht und den grundlegenden Prinzipien des Eigentums- und Wettbewerbsrechts in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit eine zentrale Herausforderung darstellt. Die Massnahmen des Bundesrates in der jüngsten Finanzkrise unterstreichen die Bedeutung von Flexibilität und raschem Handeln, werfen jedoch auch Fragen zur langfristigen Auslegung und Anwendung der schweizerischen Verfassung auf.

Michael Kummer
Michael Kummer 
Senior Partner 

kummer@stach.ch
+41 (0)71 278 78 28

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